Aber die Weinerzeuger haben noch viel mehr im Repertoire. So hat jedes einzelne Weingut eine meist lange, über Generationen währende Geschichte. Die Traubenbauern und Weinerzeuger leben und arbeiten meist in einem innigen und von sich aus eingerichteten Verhältnis mit der Natur. Nachhaltigkeit wird sehr großgeschrieben, und das nicht, weil der Staat dies aufoktroyiert. Südafrika hat eines der modernsten Nachhaltigkeitssysteme der gesamten Wein anbauenden Nationen. Die Winzer vor Ort können sich hier anschließen und haben in der Folge einen riesigen Katalog an Kriterien zu erfüllen, um als äußeres Zeichen und nach erfolgter, unabhängiger Prüfung ein Siegel auf den eigenen Weinflaschen zu bekommen. Die Aussagekraft dieses Siegels ist enorm, auch für den Verbraucher. Leider weiß kaum ein Genießer von südafrikanischen Weinen, was dieser „Aufkleber“ auf der Flasche zu bedeuten hat. Wie kann das sein? Das ist mir unverständlich. Auf jeder Veranstaltung, wie Messen und Genussfestivals, oder den zahlreich von mir durchgeführten privaten Verkostungsabenden mache ich das Siegel und die Nachhaltigkeit zum Thema. Dies mag als recht trockener Stoff empfunden werden, stellt aber für den Genießer einen absoluten Mehrwert da, der auch für seine weiteren Kaufgewohnheiten wichtig werden kann. In meinen Seminaren und Verkostungen ist dies immer der längste Punkt, bevor ich fortfahre über Land und Leute zu schwärmen. Die Teilnehmer nehmen dies immer sehr dankbar an und freuen sich über eine Information, die direkten praktischen Nutzen hat. Leider passiert diese wichtige Aufklärung aber viel zu selten. Ein wichtiges Verkaufsargument wird unter den Teppich gekehrt. Zusätzlich gibt es Stimmen, die fordern, das bestehende Siegel durch ein angeblich einfacher zu erkennendes Symbol zu ersetzen, damit der Genießer – vor allem am Weinregal im Supermarkt – einfacher südafrikanischen Wein erkennen kann. Der Ruf, dass sich die Weinbranche an der Südspitze Afrikas gefälligst in vielen Punkten, dem deutschen Markt und damit vor allem den deutschen Händlern anpassen soll, ist durchaus hörbar. Das ist meines Erachtens gar nicht nötig und kommt ziemlich hochnäsig daher. Die Winzer in Südafrika leben in unsicheren Zeiten. Politik, soziale Belange und Arbeitslosigkeit machen die Lage auch für bestehende Betriebe nicht unbedingt leichter. Dazu kommt die herrschende Wasserknappheit Ende 2017/ Anfang 2018. Des Weiteren ist Deutschland nur eines von mehreren wichtigen Exportländern. Wie vermessen ist das da, lauthals Reformen im Erzeugerland zu fordern, selbst aber unbeweglich zu bleiben. Ein anderes, mehr auf Leidenschaft und Selbstbewusstsein basierendes Beratungssystem für interessierte Genießer ist einfacher umzusetzen, als ein so weit entferntes Land umkrempeln zu wollen.